Ich habe in den vergangenen Tagen einige liebe Menschen aus meinem persönlichen Umfeld "besucht" und fotografiert - mit gebührendem Abstand, versteht sich.


Neben einem Foto von ihnen in der jeweils individuellen Quarantäne-Situation habe ich Sie auch nach den Vor- und Nachteilen befragt, die dieser aktuelle Ausnahmezustand für Sie mit sich bringt.

Felix, 36, Key-Accounter bei einem Tonträger-Presswerk 

Das Gute daran mehr Zeit zu Hause zu verbringen ist: Man ist mehr bei sich, es ist reizärmer. Das Schlechte: Man ist mehr auf sich gestellt/angewiesen. Stichwort Selbstfürsorge.


Hendrik, 39, Einzelhandelskaufmann und Ingo, 42, Dipl.-Ing. Medieninformatiker (FH) - arbeitssuchend -

Hendrik: Ich finde es gut, die Zeit zu haben, um Dinge wie die Wohnung zu streichen, Sachen auszumisten oder lecker zu kochen realisieren zu können. Einen negativen Beigeschmack habe ich in Bezug auf meinen Job und bei der Frage, ob es mein Betrieb überlebt oder nicht.

Ingo: Ich finde es schön im Moment mehr Zeit für Freunde zu haben, wenn auch überwiegend virtuell. Spannend finde ich , dass man aufgrund der außergewöhnlichen Zeit die Chance nutzen kann um neue Ideen verwirklichen zu können. Ich habe meine Wohnung renoviert und Zeit mich meinem Hobby der Fotografie zu widmen. Schlecht finde ich die noch nicht vorhersehbaren Auswirkungen auf die wirtschaftliche und auch finanzielle Situation in unserer Gesellschaft. Ich sehe es dennoch als eine Chance diese Zeit im Positiven Sinne für mich und andere nutzen zu können.

Anki, 34, Studentin/Teilzeitangestellte/nebenberuflich Selbständige

Was ist gut: Ich habe Zeit, meine Bachelorarbeit zu schreiben. Ein bisschen Entschleunigung vom stressigen Alltag. Viele Menschen halten inne und denken etwas nach darüber, ob unsere Gesellschaft so solidarisch ist, wie sie sein sollte - und wie man das vielleicht verbessern kann. Viele Menschen helfen auch freiwillig und unterstützen die, die sich in einer noch viel schlimmeren Lage als die meisten von uns befinden. Was schlecht ist: Ich bin in Kurzarbeit und meine Aufträge als Selbstständige sind komplett weggebrochen. Ich war auch zwei Wochen in angeordneter Quarantäne, da ich Kontakt mit einer Erkrankten Person hatte. Da war es schwierig, das Gassigehen mit meinem Hund zu erledigen. Aber ich habe wahnsinnig tolle Freund*innen und Nachbar*innen, die mir dabei geholfen haben - dafür bin ich sehr dankbar! Aber alles, was für mich schlecht ist, ist schlecht aus einer privilegierten Position/Sichtweise. Es gibt sehr viele Menschen, die an dieser Krise wahnsinnig und existenziell zu leiden haben und/oder sogar akut mit dem Tod bedroht sind, bspw. Geflüchtete, Menschen ohne Wohnung, usw. Mir geht es noch sehr gut, im Vergleich zu vielen anderen Menschen!

Sarah, 34, in der Schauspielausbildung

Ich mag es, den Wert an meiner langjährigen Bauwagengemeinschaft wieder neu schätzen zu lernen und zu bemerken, dass trotz aller Differenzen, Auseinandersetzungen und der verschiedenen Arten der Lebensgestaltung der Zusammenhalt unter uns noch immer sehr stark ist. Man kommt sich derzeit wieder näher, trotz gebührendem Sicherheitsabstand. Nicht schön ist, dass man tolle, kreative Projekte hier und da zunächst einmal auf Eis legen muss und es liegt derzeit leider stets eine quälende Ungewissheit in der Luft, ob und wie man diese Projekte wieder aufnehmen bzw. weiterführen kann.

Anne, 50 freiberuflich als PR-Journalistin, systemische Coachin und Jürgen, 54 – Labelbetreiber, Verleger und Promoter Rookie Records

Anne: Mein beruflicher Alltag hat sich nicht so drastisch verändert, da ich sowieso immer viel Zeit im Homeoffice verbringe. Nur, dass ich gerade keine konkreten bezahlten Aufträge habe wie Millionen anderer Menschen auch. Was mir bereits nach gut einer Woche fehlt, ist der Mittagspausenkaffee an einem netten Ort und persönliche Begegnungen mit Freund*innen. Außerdem vermisse ich jetzt schon Live-Musik in einem guten Musikclub, denn das kann Streaming mir nicht ersetzen. Im Gegensatz zu den vielen anderen, die ihre viele freie Zeit jetzt ganz sinnvoll nutzen, habe ich noch nicht begonnen, vier Bücher parallel zu lesen.

Jürgen: Gut: Home sweet home! Schlecht: Mehr Ablenkung


Nina, 40, irgendwas mit Medien

Gut: Endlich findet man die Zeit, mal all seine Schallplatten zu hören. Man lernt die eigene Wohnung endlich mal so richtig kennen und lieben. So lange das Internet nicht streikt, ist man dank moderner Technik auch allein zuhause nicht einsam und wer weiß: Wenn das Ganze länger dauert räume ich vielleicht endlich mal meinen Keller auf! Schlecht: Man hängt zu viel im Internet rum - egal ob Social Media oder Streaming. Man kann zudem außer dem Liebsten, der auch zuhause ist, gerade die Menschen nur virtuell umarmen. Über kurz oder lang könnte also sogar mir die Decke auf den Kopf fallen. 

Lukasz, 36, Künstler

Da ich gerade dabei bin umzuziehen, habe ich durch die Situation genug Zeit, um meine Sachen zu packen und zu sortieren. Der Nachteil: Noch bin ich mit meinem Ex-Freund in der gemeinsamen Wohnung eingesperrt.

Hannah, 34, Projektmanagerin in einer Agentur

Was ist gut: Ich bin erst vor ein paar Tagen eingezogen – es ist natürlich super, dass ich jetzt die Zeit zu Hause nutzen kann, um die Wohnung schick zu machen. Aber: Ich habe den Umzug mehr oder weniger alleine gemacht, habe noch keine Möbel und momentan auch wenig Möglichkeiten, mir welche zu kaufen. Und ganz davon abgesehen, habe ich auch zuhause zu viel Arbeit, um zu chillen. Was macht mir zu schaffen: Ich vermisse meine Freunde, meine Kollegen, mein Patenkind und gemeinsame Unbeschwertheit.

Bernd, 57, geschäftsführender Redakteur bei einem Print-Magazin

Man kann vergessene Rituale wiederbeleben, den Mittagsschlaf auf dem Sofa beispielsweise. Was mir fehlt, ist die Info-, Kontakt- und Arbeitsaustausch-Drescheibe „Raucherpilz“ in unserem Büro.

Kevin, 40, Fachkraft in einer Werkstatt für Menschen mit Handicap/Barner 16 

Ich habe gefühlt derzeit mehr zu tun, weil ich mit den Menschen, mit denen ich sonst arbeite über Medien in Kontakt stehe aber räumlich getrennt bin und dadurch mehr koordiniert, erklärt, beantwortet und transferiert werden muss. Unsere Arbeit lebt vom Austausch und vom Miteinander. Das klappt über diese Medien ganz gut. Sie sind nur betreuungsintensiver und bringen eine größere Fehlerquelle mit sich weil ich nicht direkt unterstützen kann, sondern nur passiv. Damit komme ich sonst ganz gut klar und eigentlich arbeite ich auch gern von Zuhause an manchen Tagen. Aber zur Zeit finde ich es aufwendig im Kopf weil kein Ende absehbar ist. Und ich mache mir große Sorgen um Einige unserer Klienten.

Tom, 32, Event-Management und Jörkk, 42, Punk

Tom: Das Beste ist, dass man keinerlei Verpflichtungen hat. Das Schlechteste ist leider auch, dass man keinerlei Verpflichtungen hat.

Jörkk: Das Guteste während der derzeit notwendigen Schutzhaft im eigenen Heim ist ein flauschiger Bademantel, ein Fenster zur Straße hin und sich an einem großen Vorrat an Kaffee und Zigaretten zu laben. Was das Schlechteste sein wird, ist bisher leider noch immer nicht absehbar. Es steht aber zu erwarten, dass die Situation sich für die Meisten zunächst einmal noch weiter zuspitzen wird, ehe Besserung eintritt.

Joanna, 46, Raumausstatterin und Kunsthandwerkerin, June, 6

Das Gute ist die Entschleunigung und dass wieder mehr Zeit für Kreativität, auch gemeinsam mit dem Kind, da ist. Das Schlechte: Die derzeitige Auftragslage und die damit zusammenhängende, finanzielle Ungewissheit.

Jan, 38 Jahre, Merchandiser im Event Bereich, Online Shop Mitarbeiter, Teil des DJ-Duos „Jan&Jan

Zur Zeit ist eben alles etwas eingeschränkt. Gut am Virus ist, dass ich kurz nach meinem Umzug unwahrscheinlich viel Zeit habe, meine Schallplatten zu sortieren und sie nebenbei auch zu hören. Schlecht ist zum Beispiel der derzeitige Niedergang der gesamten Kultur- und Gastro-Szene.

Ines - Sängerin/ Künstlerin, Darrell - Sommelier, beide 43 

Uns tut die Entschleunigung gut und die Natur kann endlich mal ein wenig aufatmen. Auf uns kommen finanziell gesehen dornige Zeiten zu und die durch die Krise bedingten Freiheitseinschränkungen sind geradezu surreal. 

 Jan-Eric, 45, Produktmanager, Christin, 39, Logistikerin, Bjarne, 4, Lasse, 6

Gut: Die KiTa freie Zeit sorgt für sehr viel mehr Ausgeglichenheit bei den Kindern (4 und 6) und in der Folge auch bei der ganzen Familie. Allerdings ist unser Garten gerade auch Gold wert diesbezüglich. Ohne sähe das gewiss anders aus bei den Kindern.  Schlecht: Die Abstimmung von Arbeits- und Kinderbetreuungszeiten zwischen Christin und mir ist eine echte Herausforderung und jeden Tag auf ein Neues etwas anstrengend. Hier haben wir immer noch keinen Modus gefunden, der für alle Beteiligten wirklich gut funktioniert.

Jannes, 31 Lehrer, Oke, 2

Gut an zu Hause: Zeit, seine Schallplatten (wenngleich auch nur im Hintergrund) zu hören. Schlecht: Unser zweijähriges Kind muss derzeit rund um die Uhr bespaßt werden.

Katrin Brinkmann, 60, TV-Autorin (u.a. Preisträgerin Erich-Klabunde-Preis 2020), Rahmenverträglerin beim NDR-Fernsehen. Leo Leonhardt, 72, Architekt - als COPD-Patient extrem Corona-gefährdet. 

Was ist das Schöne an Corona: Wir machen es uns zu Hause schweinsgemütlich! Totale Entschleunigung! Das Klima kann sich endlich erholen!  Was ist nicht so schön: Die Angst, dass es uns selbst erwischen könnte. Na gut: „We'll cross the bridge, when we get there“ - aber bis dahin sind und bleiben wir erstmal einfach happy.


Jan, Autor, 52 

Ich kann dem selbstauferlegten Stubenarrest nur wenig abgewinnen, was nicht heißen soll, dass ich die Tatsache, in einer vergleichsweise geräumigen Wohnung zu leben, nicht zu schätzen weiß. All die Menschen in den viel zu engen Behausungen, am besten noch mit mehreren Kindern; alle, die gar nicht mehr rausdürfen; die vielen, die nun um die nackte Existenz bangen; die Obdachlosen; die Süchtigen mit Nachschubproblematik… Gut, die Erderwärmung erhält eine kurze Atempause, der Autoverkehr erinnert mich an die Tage meiner Jugend, der Kanale Grande soll so klar sein wie seit 30 Jahren nicht mehr. Aber das alles hätte man mit ein bisschen Verstand auch ohne Pandemie haben können. Und denjenigen, die darauf bauen, der Kampf gegen Covid-19 würde unsere Gesellschaft zu einer besseren machen, sei dies gesagt: Die Krise ist nicht das Ende des Kapitalismus. Die Krise ist sein ewiger Jungbrunnen.