MUSIKSZENE IN DER CORONAKRISE

START-STOP-RECORD

Das Projekt fand in dem Zeitraum Oktober bis Dezember 2021 statt.

Ich habe in drei Monaten mit vielen Betroffenen aus der Musik- und Veranstaltungsbranche gesprochen und verschiedene Locations wie das Birdland, Knust, Markthalle, Uebel & Gefährlich, das Gängeviertel, sowie die Elbphilharmonie besucht. Es war sehr spannend so viele verschiede Menschen aus dem Musik- und Kulturbereich zu befragen und zu portraitieren. Was mich persönlich am meisten Überrascht hat, war die Wendung während des Projekts: Am Anfang sah es so aus, als ob sich die Kulturbranche langsam erholt und wieder aufersteht. Viele Betroffene hegten ein wenig Hoffnung und waren guter Dinge.



Jetzt, im Januar 2022, macht es jedoch den Anschein, dass alles wieder komplett heruntergefahren wird. Die meisten der Veranstaltungsorte haben wieder geschlossen oder ihre Räumlichkeiten für völlig andere Zwecke umfunktioniert. Während der Realisation war meine Wahrnehmung der gesamten Musikbranche eine komplett neue. Ich war nicht mehr nur Zuschauerin, die Kundin, die ein Konzert besucht und eine Location zu diesem Zwecke betritt. Es hat mir viele Einblicke hinter die Kulissen gewährt.  Als Fotografin war ich ebenfalls stark von der Corona-Krise betroffen. Es hat Spaß gemacht das Projekt realisieren zu dürfen. Danke an alle Beteiligten!

Es liegt in meinem Naturell
positiv in die Zukunft zu blicken.
Wir haben jetzt schon soviel geschafft,
es kann ja nur noch
in die richtige Richtung gehen.

— Nicolle/ Birdland

Jürgen

Rookie Records

Im März 2020, ich erinnere mich genau, ich war am 7. März auf dem OBS- Fest gewesen und hatte das leise Gefühl, dass es erstmal das letzte Festival gewesen sein könnte. Dann ging es irgendwann wieder los…. Als erstes gab es diese “Biergarten-” Konzerte. Ich muss tanzen dürfen, entsprechend war das das war eher so halb- geil, da auf'm Stuhl im Sitzen “tanzen”. Ich verstehe, dass da Existenzen dran hängen, sowohl bei den Künstler:innen als auch Veranstaltenden, aber für mich als Konzertfan sind das keine "echten Konzerte".


Hattest du nicht auch das Gefühl, dass es bald vorbei sein wird mit dem Virus, bei diesen Konzerten?

Ich habe eine Ausbildung als umwelttechnischer Assistent, das hat natürlich mit Virologie nichts zu tun, aber mir war klar, dass das nicht so schnell vorbei sein würde, ent-

sprechend sind Gefühle fehl am Platz. Natürlich wünschte ich mir, dass wie durch ein großes Wunder 2021 alles vorbei sein wird. Ich erwartete in meinen schlimmsten Alpträumen nicht, dass es so kommt. Aber so ist es jetzt, man muss man dies aushalten, lernen damit umzugehen.


Was fühlst/ denkst du jetzt?

Ich unterscheide zwischen privat und beruflich. Der Musikfan ist natürlich traurig, ich habe noch ein paar Tickets zuhause liegen und eine Liste mit Konzerten, die ich mir gerne angeschaut hätte. Aber mir ist klar, dass die nicht mehr stattfinden.  Beruflich: Es betrifft alle unsere Bands, z.B. bei Shirley Holmes wurde die Tour mit Terrorgruppe abgesagt. Das ist für alle Beteiligten eine Katastrophe, nicht nur wegen des Geldes, auch das Menschliche und das Gesamtbild. Niemand weiß, ob die Tour nachgeholt wird. Desweiteren mache ich für einige Bands auch das Booking. Ich sehe nicht, dass z.B. die Spermbirds im März '22 spielen werden.


Was hat Dich besonders runtergezogen?

Die Unfähigkeit der Politik und der Egoismus der Menschen. Teilweise bin ich total wütend, weil die Menschen halt so unvernünftig sind.

Das ist die Natur des Menschen, dass er unvernünftig sein will.


Positives aus der Corona Zeit?

Ich habe beruflich weniger als die Hälfte gemacht als in den Jahren zuvor, hatte Zeit für Überlegungen: Ich bin nicht mehr so jung, wie soll es weiter oder irgendwann zu Ende gehen mit meinem beruflichen Werdegang. Ich hatte ein Coaching, Stichwort "Berufliche Neuorientierung", auch um ein zweites Standbein zu finden.

Ohne die Pandemie wäre es dazu nicht gekommen. 


Der Ausblick?

Da will ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. In einigen Nachbarländern ist es fast wieder normal. Teilweise spielen unsere Bands jetzt öfter in Spanien, vieles ist anders als hier, vielleicht bleiben dort die Leute normaler im Kopf. Was bleibt zu sagen?

Seid nett zueinander, bleibt freundlich zueinander.

Nicolle

Jazzclub Birdland

Ich bin Nicolle Reichert, eine der drei Betreiber:innen vom Birdland Hamburg. Das Birdland wurde im Jahr 1985 von meinen Schwiegereltern Heidi & Dieter Reichert

gegründet, aus Liebe; Leidenschaft zur Musik. Als sie es 2013 aus Altersgründen schließen wollten, entschieden mein Mann und ich gemeinsam mit dem Betreiber vom

Freundlich+Kompetent es weiter zu führen. Es ist eine superschöne Institution, die noch lange weiterleben soll.


Wie war es für dich als Corona losging?

Als Corona losging war es für uns total surreal. Diese Ungewissheit, was passiert hier überhaupt, wie lange dauert das, dies war das Hauptgefühl und das Unangenehmste.

Mein Mann ist Musiker, den hat es wie viele seiner Musikkollegen natürlich extrem getroffen, seine Haupteinnahmequelle fiel plötzlich weg.

Der Dritte von uns betreibt noch eine weitere Bar, bei ihm war es dann sozusagen das Gleiche. Ich arbeite zum Glück noch im Marketing.

Sorge und Unsicherheit - das fasst das Anfangsgefühl am besten zusammen.


Als wir 2020 offiziell wieder aufmachen durften, passten wir uns an die Regeln an, trafen Vorkehrungen, damit sich alle Besucher bei uns wohlfühlen.

Nach einem Monat wurde dann wieder alles geschlossen. Ich glaube, ich habe ständig Déja- Vus…

Man muss ständig informiert sein über die aktuellen Verordnungen etc, es macht es nicht leicht da durchzublicken, aber wir wollen natürlich geöffnet bleiben.

Das Birdland fehlt, den Leuten, die hier reinkommen und einen unbeschwerten Abend mit Livemusik und guten Drinks erleben möchten.

Es ist schön zu sehen, wie dankbar die Menschen sind wieder Konzerte erleben zu dürfen, es ist manchmal nicht mehr ganz so unbeschwert,

aber wir möchten allen eine schöne Zeit bescheren, und hoffen, dass wir den nächsten Lockdown überstehen.

Solange noch musikbegeisterte Menschen kommen und es sich wirtschaftlich auch noch ein bisschen rechnet und

es keine Verordnung zum Schließen gibt, bleibt das Birdland auf. Auch wenn wir vor jeder Ministerkonferenz und Ähnlichem zittern.


Woher holst du deine Kraft? 

Ich bin ein positiver Mensch, sicherlich gab es in dieser Zeit Dinge die nicht rundliefen, auch in der Familie, berufliche Sorgen,

aber es liegt in meinem Naturell positiv in die Zukunft zu blicken. Wir haben schon so viel geschafft, es kann ja nur noch in die richtige Richtung gehen.

Die Sorgen, die mache ich mit mir oder meinem Mann aus. Ich versuche unseren Mitarbeitern und Gästen eine positive Stimmung zu vermitteln,

damit sie für die Zeit, in der sie bei uns sind, ein klein wenig ihre Sorgen vergessen und den Abend genießen.

Ich denke, wir haben Alle aus der Zeit gelernt und wissen mehr zu schätzen, was wir hier jeden Tag erleben.

— Chrissie/ Audiolith

Konzerte mit Abstand


"Nicht mehr auf Konzerte gehen zu können bzw. ein 'normales' Konzert sehen zu können, ohne Restriktionen und/ oder Coronaauflagen. Das macht mir zu schaffen"

TESS - TARGET CONCERTS


Rembert

Festivalveranstalter, Orange Blossom Special

Label-A&R, Glitterhouse Records GmbH

und Moderator, WDR Rockpalast-Crossroads Geschäftsführer, Beverungen Marketing e.V.


Ich höre gerne: meinem Enkel zu.

Ich höre auf keinen Fall: auf Idioten.

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich...

mich vermutlich in der Redaktion einer Provinz- Zeitung mit Lokalsport- Berichterstattung herumquälen.

Oder ich wäre tot, was weiß ich.



Als Festivalveranstalter wurden mir Broterwerb und Lebensinhalt gekappt. Mit allen negativen finanziellen, emotionalen und mentalen Konsequenzen. Aber es gibt Gutes im Schlechten: die enorme, überwältigende Solidarität der Orange Blossom Special Besucher:innen sowie der gewachsene Austausch und Zusammenhalt zwischen Veranstaltenden, Musiker:innen, Tour-Agenturen etc. lassen die Sonne wieder scheinen. 'We're in this together' ist hier kein Lippenbekenntnis, sondern tatsächlich gelebte Solidarität.


Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

Die erratischen, teils gegenüber Musikfestivals im Vergleich zu anderen Großveranstaltungen extrem unfairen Corona-Schutzverordnungen der nordrhein- westfälischen Landesregierung haben Planungsunsicherheit und existentielle Bedrohungen mit sich gebracht. Die offensichtliche generelle Geringschätzung der Veranstaltungs- und Kreativbranche seitens der politischen Entscheider:innen auf Bundes- und Landesebene macht mich zusätzlich müde und wütend.

Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit?

Ich wünsche mir eine dauerhafte, unbürokratische, faire und nicht als Bittstellerei wahrgenommene Förderung und finanzielle Kompensation der Veranstaltungs- und Kreativbranche jenseits der fast zufällig aufgesetzten Förderkulissen und Überbrückungshilfen. Und dass wir alle trotz existentieller Nöte halbwegs lebendig durch diese Phase kommen - und dabei diejenigen nicht vergessen, denen es weit schlechter geht als uns. #leavenoonebehind



Chrissie

PR und Social Media bei Audiolith Records


Ich höre gerne:

Tagesformabhängig. Das ganze Jahr viel deutschsprachigen Rap , derzeit auch wieder mehr am Durchforsten, was es an Indie/ Pop- Sachen Neues gibt. Grimes auch immer auf heavy rotation!

Ich höre auf keinen Fall:

Mit Schlager und zu heftigem Metal tu ich mich schon echt schwer, aber ich schließe nichts kategorisch aus! ;)

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich…

mich vermutlich ziemlich langweilen in meinem Job.


Womit hattest/ hast Du persönlich am meisten zu kämpfen?

Die Arbeitssituation haben wir bei Audiolith mit regelmäßigen Online Meetings bestmöglich zu regeln versucht, aber ich kann nicht bestreiten, dass das dauerhafte Home Office alleine in meiner 1-Zimmer-Wohnung doch etwas auf die Stimmung gedrückt hat. Es ist nicht zu unterschätzen, die Kolleg*innen um sich zu haben und jeden Tag mit dem Fahrrad zum Büro hin und zurück zu radeln. Bin sehr froh, dass das wieder geht!


Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

Es ist beachtlich, wie einen die Menschen trotz des wenigen Kontakts nerven konnten. Abstände die nicht eingehalten wurden. Leute, die ihre Masken nicht richtig aufsetzen. RRRRAAAGE.


Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit?

Ich denke, wir haben alle etwas aus der Zeit gelernt und wissen vor allem wieder mehr zu schätzen, was wir hier jeden Tag erleben. Wieder Bands auf Bühnen zu sehen ist mega und ich hoffe, das bleibt der Normalzustand. Bleibt safe, please!


Malin

Assistenz Geschäftsführung/  Indigomusikproduktion und Vertrieb GmbH

Ich höre gerne:

Gut gemachten Pop

Ich höre auf keinen Fall:

Schlecht gemachten Pop

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich...

… was verpassen, wieder als Kunsthistorikern arbeiten, das wäre auch wunderschön.


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Die negativen Aspekte sind vielfältig und offensichtlich. Positiv: Viele Kulturschaffende erwiesen sich als zäh und unbeugsam, auch die Bereitschaft vieler Fans, Label, Musiker:innen, Festivals, Clubs o.ä. materiell oder emotional zu unterstützen. Das führte uns vor Augen, wie groß die Wertschätzung ist und es sind ja diejenigen Menschen, für die wir Musik machen. Außerdem ist es schön, wie sehr wir uns wieder an vermeintlich Selbstverständlichem freuen: Feiern und Tanzen gehen, ein Konzert besuchen, mit Freunden zusammen sein.

 

Womit hattest/hast Du persönlich am meisten zu kämpfen?

Die berufliche und private Mehrfachbelastung. Die familiäre Situation mit Kleinkindern, soziale Isolation, Frustration & Konflikte, räumliche Enge, berufliche Unsicherheit, enorme Verunsicherung in der ganzen Branche, überall Zukunftsängste. - unmöglich in üblicher Qualität zu arbeiten. Für uns war die Corona-Krise in jeder Hinsicht eine Krise.

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht?

Um meine eigene Zukunft habe ich keine Angst, aber um die der Musikbranche in der gewohnten Form natürlich, ich wäre naiv, hätte ich keine. Ich bin der tiefsten Überzeugung, dass es immer Musik geben wird, aber ich bin weit weniger überzeugt, dass es sie für immer in den bestehenden Strukturen ensteht und vermarktet wird. Tatsache ist, dass sehr Viele noch so eine Durststrecke nicht überleben. Dann werden sich die Großen – der Mainstream - behaupten. Es sind die kleinen, innovativen, von Idealismus getriebenen Projekte, die zuerst untergehen… das ist einfach jammerschade. Aber irgendwann und irgendwie würde auch wieder Neues entstehen…

Tess

Executive Assistant/ Bookerin target Concerts Gmbh



Ich höre gerne:

Vieles, v.a. gute Bands/ Künstler. ( Hauptsächlich aus (Post-)Punk, Garage, Grunge, Shoegaze, New/Dark Wave, Hardcore, lo-fi (Indie), Guitar- / Jazz Pop) 

Ich höre auf keinen Fall:

Helene Fischer / Schlager

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich...

Kuchen backen


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Für meine Branche eigentlich nur negative. 

Einziges Positives: der Zusammenhalt 


Womit hattest/hast Du persönlich am meisten zu kämpfen?

Nicht mehr auf Konzerte gehen zu können bzw. ein „normales“ Konzert sehen zu können, ohne Restriktionen und/oder Coronaauflagen.


Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

Arbeit ohne Ergebnisse, andauernde Umplanerei ohne Perspektiven.

Tosh

Booker Markthalle


Ich höre gerne: nahezu alles

Ich höre auf keinen Fall: 

Schlager, Techno, Marschmusik

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... mich anderweitig der Kunst & Kultur widmen.

 

Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Als positiv habe ich empfunden, dass ich das Hören von Musik für mich neu entdeckt habe.

Aufgrund der Entwicklung in der Musik- Industrie ist dies in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben, da selten Zeit und Ruhe war sich mit den Künstlern und deren Werken ausreichend zu widmen.

 

Womit hattest/ hast Du persönlich am meisten zu kämpfen? 

Dem sozialen Verlust, den teils tragischen, dramatischen Situationen der Kolleg:innen, den Freiberufler:innen, den Künstler:innen, mit denen sich über die Jahre ein sehr freundschaftliches Verhältnis entwickelt hat. Damit einher gehend die fehlende Wertschätzung seitens der Regierenden.

 

Was hat Dich am meisten aufgeregt? Die weder nachvollziehbaren noch umsetzbaren Auflagen für die Veranstaltungsbrache.

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht? Es wird einige Jahre dauern bis sich die Branche erholt haben wird, das wird nicht ohne Folge bleiben.

 

Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit? 

Eine veränderte Wertschätzung und Akzeptanz für die Popular, Club- und Subkultur.

Das entspannte, glückliche Lächeln von Konzert und Partybesuchern nach einem gelungenem Abend , wenn man den Alltag für einige Stunden hinter sich lassen konnte, bleibt unersetzlich.

 


Manu

Geschäftsführerin der Vertriebsfirma 375 Media GmbH


Ich höre gerne: Gitarrenmusik in allen Formen

 Ich höre auf keinen Fall: Schlager

 Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... als Pädagogin arbeiten.


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit? Positiv: Das Team rückte zusammen und zog mit viel Engagement an einem Strang. Negativ: Die Marktentwicklung hin zu mehr Streaming wurde beschleunigt.

 

Womit hattest/hast Du persönlich am meisten zu kämpfen? Das leere Büro war deprimierend. Mir fehlten die persönlichen Begegnungen, die vieles angenehmer und effektiver machen. Als relativ neu in Hamburg Lebende hatte ich noch kein Netzwerk aufgebaut. Und es war nicht abzusehen, wie gut die Firma durch diese Krise kommt.

 

Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen? Aufgebaut hat mich die Kreativität unserer Kunden, die begannen, Fensterverkauf zu starten, Lieferdienste auf die Beine stellten, usw. Runtergezogen haben mich die immer wieder steigenden Infektionszahlen, die hart erkämpfte Lockerungen wieder zu Nichte machten, hervorgerufen auch durch Menschen, die sich nicht an Regeln halten wollen.

 

Was hat Dich am meisten aufgeregt?

 Vorgegebene Bestimmungen umzusetzen, die nie klar waren und die sich ständig änderten. Hamburg hatte bisweilen sehr viel strengere Einschränkungen. 

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche an geht? Ängste nicht, aber ich mache mir Gedanken, wie es für die unabhängige Musikbranche generell weitergeht.

 

Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit? Klare, langfristige Konzepte und einheitliche Regelungen, die uns Begegnungen mit Mitarbeiter*innen, Geschäftspartner*innen, Freund*innen und Familie ermöglichen. 


Carsten

Lagerverwalter in einem Logistik- Konzern und seit 32 Jahren (als Hobby) Sänger und Gitarrist bei der Punkband Popperklopper.

Ich höre gerne: Punkrock, am liebsten immer noch den ursprünglichen, wilden Proto-Punk ab Ende der 60er über die englischen/ amerikanischen Klassiker der 70er bis zum Beginn des Hardcore-Punks der 80er.

Ich höre auf keinen Fall: Weichgespülte, nichts aussagende Radiomusik +

rechtsoffene/ rechtsradikale/ homophobe Macho- Mucke + primitive Malle- Sauf- Partymucke.


Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... wahrscheinlich vor Langeweile verzweifeln, da ich mir nichts vergleichbares vorstellen kann, mit dem ich mich so gerne + intensiv beschäftige.


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Natürlich fehlen die Konzerte am allermeisten. Da wir die Band aber nur als Hobby betreiben, war es für uns nicht so katastrophal wie für manch andere Kolleg:innen die damit ihr Geld verdienen, egal ob Bands, Veranstalter, Locations etc. Wir haben wir für uns höchstens positiv herausgezogen, dass wir durch die ausgefallenen Konzerte viel Zeit hatten Songs zu schreiben und aufzunehmen.

Womit hattest/ hast Du am meisten zu kämpfen?

Freunde/ Bekannte nur sehr eingeschränkt oder garnicht zu sehen, keine Konzerte zu spielen

oder zu besuchen.


Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich

runtergezogen?

Bei all dem Negativen hat es mal gut getan keine Termine zu haben, also Zeit für sich und die Familie. Dadurch lernte man etwas die banalen Dinge des Alltags zu schätzen. Runtergezogen hat mich das ständige Auf + Ab, die Unsicherheit basierend auf den jeweils aktuellen Statistiken. Ebenfalls runtergezogen hat mich das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

1. Sinnlose Diskussionen mit Impfgegnern/ Coronaleugnern = verschwendete Lebenszeit

2. Seit über 1,5 Jahren im TV nur noch ein Thema, so dass man am liebsten mehr anschaltet.


Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht?

Für mich und meine Familie habe ich keine Ängste, da wir sichere

„systemrelevante“ Arbeitsplätze haben. Für meine Tochter finde ich das alles schon etwas

traurig, denn für Kinder bedeutet die Situation doch nochmal etwas anderes als für Erwachsene. Für die Musikbranche hoffe ich, dass jetzt alle nochmal richtig durchstarten können und dass nicht zu Vieles auf der Strecke bleibt. Gerade all diese tollen, nicht komerziellen Locations, die wir so lieben… unersetzbar für die (alternative) Kultur.

Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit?

Einfach nochmal Normalmodus. Scheinbar nur erreichbar durch eine höhere Impfquote, und

zwar weltweit. Wir sitzen alle im selben Boot. Es braucht mehr miteinander, anstatt gegen-einander, mehr wir anstatt ich.

Jule

Kundenservice & Vertrieb bei optimal media

 

Ich höre gerne: Radio (aber nur NDR 90.3), Hörbücher und, wenn es unbedingt noch Musik sein muss, Roxette und den neuesten Deutschrap auf Spotify

Ich höre auf keinen Fall: auf zu rauchen.

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... das kann ich mir nicht vorstellen.

 

Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Im Job hat mich überrascht wie krass die Leute in so einer Zeit Platten kaufen. Das ist natürlich toll, hat mich aber persönlich noch etwas schneller ergrauen lassen, weil es scheiß-stressig war bzw ist. Auf der anderen Seite weine ich um alle Einzelkämpfer, Booker, Roadies, Venues usw, die litten und leiden. Es gab und gibt sehr verschiedene Seiten der Medaille 'Corona' innerhalb der Branche.

 

Was hat Dich am meisten aufgeregt?

Die Schwurbler natürlich! Die ganzen Ätzheimer, die Nazis, die Bekloppten, die durch diese Scheißkrise noch mehr Plattform bekommen haben. Die ganzen Diskussionen, die Scheiß-Politik, die trägen Reaktionen, das Reinlaufen in Miseren.

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht? Glücklicherweise lebt man in dieser Branche nie ganz angstfrei. Momentan habe ich aber höchstens eine kleine, nette Angst. Kalkulierbar ist das Thema Mensch und Musik eben nicht.

 

Tobi

Meister für Veranstaltungstechnik in der Elbphilharmonie Hamburg, Technische


Projektleitung, Ausbilder Fachkraft für Veranstaltungstechnik

Ich höre gerne: Rock, Pop, Elektro, Hiphop, Metal, Punk…

Ich höre auf keinen Fall: Free Jazz

 Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... Handwerker sein.


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Negativ: Zu wenig direkter, persönlicher Austausch mit Arbeitskolleg*innen und Freunden

Positiv: Demut und Zufriedenheit mit dem, was man hat, ist gewachsen

 

Womit hattest/hast Du persönlich am meisten zu kämpfen? Nicht zu wissen, wann und wie es weitergeht. Eine gewisse Ohnmach t und Hilflosigkeit hat sich breitgemacht.

 

Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen?

Aufgemuntert: die Tatsache, dass sich weite Teile der Musikbranche über Wasser halten konnten und deren Solidarität untereinnander.

Runtergezogen: Der ständige Wechsel zwischen Hoffnung auf Ende der Pandemie und dem Aufschlag auf dem Boden der Tatsachen.

 

Was hat Dich am meisten aufgeregt? Kultur wurde als Treiber der Pandemie mit-verantwortlich gemacht, obwohl die Hygiene-Konzepte sehr umfangreich vorhanden waren.

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht? Ich habe einen sicheren Job, daher zumindest da keine Ängste. Der Nachfrage nach Kultur und Konzerten wird nach der Pandemie steigen, die Branche wird sich schnell erholen.

 

Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit? Dass sich so schnell wie möglich, so viele Menschen wie möglich impfen und boostern lassen und wir den Umgang mit Corona lernen.

 

Dieter

Komponist, Aktionskünstler, Schlagzeuger, Perkussionist

Ich höre gerne: Vögel und das Meer

Ich höre auf keinen Fall: wenn jemand zu laut falsch zitiert, selbst wenn’s Hegel  wäre.

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... Alboristik studieren, lernen wie Bäume wandern und reden. 


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Ich habe mich wieder gefunden in dem Ausprobieren mit Zeit, ohne gestecktes Ziel. Das ist wie ein gehobenes Wrack voll Gold & Liebe.


Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen?

Der Text von Marley “ you can fool some people some time - but you can NOT fool all of the People all of the Time - get up!"

 Runtergezogen hat mich die auflebende allgemeine Scheu - es ist herzzerreißend, wenn eine Gesellschaft sich nicht mehr auseinandersetzen kann, sobald sie mal in Schwierigkeiten gelangt. Dabei brauchen wir doch diese Auseinandersetzung gerade dann so dringend! Ich bin darüber erschüttert, denn ich liebe diese unsere Kultur gerade wegen ihrer Auseinandersetzung Willigkeit.


Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

 Wie wenig offenbar den Menschen zugetraut wird.


Was würdest Du Dir in Anbetracht des Erlebten jetzt wünschen für die kommende Zeit?

Ehrlicheren Umgang mit der naturgemäßen Unabsehbarkeit eiliger Entscheidungen und einen angemessen demütigen Ton Allen gegenüber die Schwierigkeiten durchleiden. Unbedingt eine offene und genaue Analyse, wann was geschehen ist. Und an die Fähigkeit der Menschheit so Vieles weltweit in kürzester Zeit zu ändern bzw. zu stoppen.

Eigentlich sollten wir dazu einen Weltweiten World- Lockdown Freuden- Feiertag einrichten, um uns an dieses mächtige Ereignis für alle Zeit zu erinnern. 


Lars

Geschäftsführer bei Audiolith

 

Ich höre gerne: Unbroken

Ich höre auf keinen Fall: Schlager

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... vielleicht in der offenen Kinder und Jugendarbeit arbeiten.


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Als ich erkannt habe, dass wir als Firma mit dieser Pandemie sehr lange zu tun haben werden, war das sehr deprimierend.

Auf der anderen Seite lernt man wirklich sehr zu schätzen was man eigentlich für einen tollen Job hat und dass man alles dafür tun sollte einen positiven Mindset zu behalten. Was nicht immer leicht ist natürlich.

 

Womit hattest/ hast Du persönlich am meisten zu kämpfen?

Neue Strukturen aufzustellen und nicht durchzudrehen.

 

Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen?

Ich bin vor der Pandemie schon immer gerne spazieren gegangen. Mir haben Spaziergänge mit vielen Leuten Kraft gegeben und mit der Familie abends Spiele zu spielen.

Meine Partnerin, meine Familie, die Firma und natürlich auch alle Mitarbeiter:innen und Artists haben mir Hoffnung gegeben.

 

Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

Menschen, die sich an irgendwelche Verschwörungstheorien hängen.

 

Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht?

Generell habe ich jeden Tag ein bißchen Angst, aber es motiviert ja auch positiv in die Zukunft zu denken und zu arbeiten. Alles wird irgendwie gut.

 


Danny

Booker / Grand Hotel van Cleef Musik GmbH



Ich höre gerne: alles mögliche

Ich höre auf keinen Fall: gibts nicht

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich… hab ich noch nie drüber nachgedacht…


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Negativ war natürlich die Ungewissheit ob es weitergeht und das nervige Termine verschieben. 

Super war es endlich mal im Sommer zu Hause und nicht auf irgendwelchen Festivals zu sein.


Womit hattest/ hast Du persönlich am meisten zu kämpfen?

Mit nichts, ich fands ganz angenehm


Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen?

Aufgemuntert hatt mich die Tatsache, dass man wieder Zeit für Sachen hatte, zu denen man die letzten 20 Jahre nicht kam. Runtergezogen hat mich nix.


Was hat Dich am meisten aufgeregt? 

Die Dummheit der Impfgegner.


Hast Du im Moment Ängste, was Deine Zukunft und die Zukunft der Musikbranche angeht?

Nein.

Finja

Auszubildende zur Veranstaltungskauffrau bei RockCIty Hamburg e.V.


Ich höre gerne: Indie, 80s-Pop, Synthie-Pop, Rock

Ich höre auf keinen Fall: gibt's bei mir irgendwie nicht 

Wenn ich nichts mit Musik zu tun hätte, würde ich... Wahrscheinlich in einem Verlag als Lektorin arbeiten. Oder als Maskenbildnerin 


Corona-Krise in Deiner Branche. Welche negativen und/ oder positiven Aspekte brachte diese Zeit?

Womit hattest/hast Du persönlich am meisten zu kämpfen? Mit dem alleine sein. Nicht mehr die Möglichkeit zu haben, spontan ins Kino oder auf ein Konzert zu gehen. 


Was hat Dich während der Zeit aufgemuntert, Dir Hoffnung gegeben, was hat Dich runtergezogen?

Aufgemuntert haben mich meine Freund_innen, meine Mitbewohnerin, meine Familie. Runtergezogen haben mich vor allem die langen Wintermonate, wenn man nicht mal mehr spazieren gehen wollte. 


Was hat Dich am meisten aufgeregt?

Am meisten aufgeregt habe ich mich, wenn Menschen die Lage nicht ernst genommen haben, keine Maske getragen haben oder sich nicht an Abstandsregeln etc. gehalten haben.



Im Moment ist es eine Mischung aus Trotz, Hurra, wir leben noch, wir machen noch was,
bis hin zu dem Frust, dass ich jetzt zum fünften Mal die gleiche Show anfasse und wieder absage.

— Dirk/ Knust

Dirk

Booker Knust


Wir haben uns mit der Pandemie und einem evtl. Lockdown schon im November 2019 beschäftigt, da kam zum ersten Mal das Thema Pandemie in China auf, Anfang 2020 gab es dann News, dass es auf uns zukommt. Wir waren wir geschockt und überrascht, obwohl wir darüber gelesen hatten und nicht so ganz unvorbereitet waren.

Im Juni 2020 fing es an mit Outdoor- Konzerten, das erste Indoorkonzert war im August 2020, dazu Einiges online, eine NDR Produktion, Streams, öffentliche Proben, Events mit Versteigerungen, Verlosungen etc. Bei Soli- Veranstaltungen haben wir für Hafenklang, Monkeys, Molotow und Knust Spenden gesammelt.

Im ersten Lockdown musste ich 14 Tage lang in Quarantäne, hatte viel Zeit, auch um neue Konzepte zu erstellen. Und ich überlegte, wie ich die Leute auf die 1,5 m Abstand trimme. So entstand der Stock, er hat uns die letzten Jahre stets begleitet, sei es auf der Bühne, unter Musiker:innen, beim Tischabstand, überall tauchte dieser ominöse Abstandsstab auf, manche nennen ihn den Mönchsstab, es ist wie eine Religion, diese 1,5 m Abstand.

Die neue Welle: Ich dachte mit der 2. Impfung, sind wir ganz cool raus und wir packen das, aber dadurch, dass sich zuwenig Leute impfen ließen, sind wir nun in der 4. Welle. Es schockt mich jetzt fast so schlimm wie beim allerersten Mal, auch diese Hilflosigkeit. Man hat uns diesmal nicht zugemacht, aber wir können nicht, die Bands sagen die Touren ab, zu den  wenigen Konzerten, die wir noch machen kommen kaum Leute. Einerseits überlegen wir, ob es moralisch vertretbar ist, überhaupt noch Konzerte zu machen. Andererseits lass ich mir das von diesen Nerds, die meinen sie müssen sich nicht impfen lassen, nicht kaputtmachen. Die Kultur muss am Leben erhalten werden, jetzt ist die harte Phase. Wir denken: Hey, wir müssen was machen, wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Die  Politik traut sich nicht einen Lockdown zu machen, gibt uns aber so fiese Auflagen.

Die Situation ist komisch, wir wollen, aber wir können nicht. Wir könnten nur machen, was in dem Rahmen möglich ist. Wir könnten auch wieder Online- Shows machen, aber wir werden zu wenig Bands und zu wenig Zuschauende motivieren können, da hat niemand mehr Bock drauf. Dann lieber ne Platte anhören, das ist eher die Tendenz. Ich bin gespannt wie sich das die nächsten Wochen verhält.


Es braucht mehr Miteinander anstatt
Gegeneinander, mehr wir anstatt ich.

— Carsten/ Popperklopper

Mediathek Frühcafé


Mediathek Frühcafé


Die Musik für das Projekt schrieb Kevin Hamann mit seiner Band "My First Trumpet".

Interviews & Textredaktion:

Ellen R. Stein

Die hier gezeigten Fotos sind im Rahmen der Förderung

Neustart Kultur für die Fotoreportage 'Start-Stop-Record' über die Musikszene in der Corona-Krise entstanden.